Fachverband für Goju-Ryu Karate
Michaela Schubert     Samstag, 15. Oktober 2016    

Internationaler JKF Goju-Kai/Takuji Kenbukan Lehrgang in Neutraubling 2016

Wer feiern kann, kann auch trainieren

Am ersten und zweiten Oktober fand das Karate-Highlight 2016 statt. Circa neunzig Karateka aus Neutraubling, Chemnitz, Döbeln, Dresden, Ehrenfriedersdorf, Erzgebirge, Kirschau, Mössingen, Neutraubling, Nossen und Porto nahmen am internationalen Lehrgang in Neutraubling teil.

Die Vorfreude auf die internationalen Trainingshöhepunkte war in diesem Jahr absolut bei jedem Teilnehmer spürbar. Alle konnten es kaum erwarten, in ihren Karate-Gi zu schlüpfen, um endlich mit dem vielversprechenden Training anzufangen. Doch bevor die lehrreichen Trainingseinheiten begannen, durfte eine offizielle Begrüßung, durch Kyoshi Stanko Kumer (7.Dan JKF Goju-Kai), GJKF Cheftrainer & Präsident und Cheftrainer aller Takuji Kenbukan Außenstellen in der Welt, nicht fehlen.

Zuallererst hieß er den Chef des JKF Goju-Kai/Kyokai in Portugal, Vitor Gomes (6. Dan) und seine Lebensgefährtin Raquel Seixas (4. Dan) herzlich willkommen. Stanko lud Vitor Gomes ein, damit die Lehrgangsteilnehmer die Möglichkeit erhielten, das Sportkumite mit einer anderen Methodik trainieren zu können.

Anschließend begrüßte Kyoshi Stanko Kumer die nachfolgenden deutschen Co-Trainer.

- Gerd Neuland (5. Dan JKF Goju-Kai Renshi)
- Hagen Neumann (5. Dan JKF Goju-Kai)
- Zeljko Topalovic (5. Dan)
- Alexander Buze (4. Dan JKF Goju-Kai)

Und dann gab es kein Halten mehr. Der Cheftrainer ließ Raik Richter das erste Mal bei einem internationalen Lehrgang eine Erwärmung halten, mit der Maßgabe, dass danach allen der Schweiß von der Stirn tropft. Stanko war mit seiner Leistung vollstens zufrieden. Wirklich jeder Gurtträger kam ins Schwitzen.

Als alle ausreichend erwärmt waren, erhöhte Gerd Neuland mit Kihon-Techniken die Schweißproduktion nochmal, mindestens ums Dreifache. Jeder war mit voller Energie dabei und verfestigte bzw. verbesserte seine Hand- und Fußtechniken.

Mit der Basis-Kata Sanchin vollendete Stanko Kumer die erste Tageseinheit. Erst erarbeitete er den Unterschied zwischen langer Technik und langer Atmung sowie kurzer Technik und kurzer Atmung heraus. In den darauffolgenden Übungen sollte es den Gurt-trägern in Fleisch und Blut übergehen. Denn Ziel dieser Kata ist, dass die Karateka ihre Kraft über eine lange Ausatmung konzentrieren können. Geduldig, aber mit Nachdruck, gab er sein umfangreiches Karatewissen, welches ihm einst sein Sensei Tetsuo Tabata beibrachte, fachkundig an die Lehrgangsteilnehmer weiter. Der Cheftrainer ließ zum Ende der Vormittagseinheit Vitor Gomes nochmal die Kata Sanchin vorführen, um seine vorherigen Ausführungen zu verdeutlichen.

Bereits am Vormittag war in der Turnhalle die höchstmögliche Konzentration genauso greifbar, wie die schweißtreibende Anstrengung. Alles was die Trainer an Wissen weitergaben, schienen die Karateka förmlich aufzusaugen.

Nach der Mittagspause im jugoslawischen Restaurant „Stadtmitte“, ging es – motiviert bis unter die Haarspitzen – weiter. Diesmal führte die Erwärmung Hagen Neumann durch. Ruckzuck waren alle wieder im Karatemodus. Das heranschleichende Mittagstief hatte somit nicht den Hauch einer Chance.
Die dritte Karateeinheit stand ganz im Zeichen praxisnaher Selbstverteidigungstechniken, die sich vor allem für Frauen im Notfall als rettender Anker erweisen können. Karate härtet nicht nur den Körper ab, sondern sensibilisiert außerdem den Geist. Deshalb erläuterte Zeljko Topalovic zwischen den einzelnen Übungssequenzen, auf welche Faktoren es in der Selbstverteidigung ankommt. Egal wie kampfbereit ein Karateka ist, es steht immer das Erkennen einer Gefahrensituation und Vermeiden einer möglichen Eskalation im Vordergrund. Dennoch ist es in heiklen Augenblick besonders wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.

In der letzten sportlichen Tageseinheit schafften es Alexander Buze und Hagen Neumann mit mehreren Alternativbunkai´s aus der Saifa und Seiyunchin über einigen Köpfen die Fragezeichen herauszuhauen. Diese unkonventionellen Anwendungsmöglichkeiten beleuchten den Kampf in der Kata aus einem anderen Blickwinkel und eröffneten somit dem Anwender ein tieferes Verständnis. Die ungewohnten Bewegungsabläufe brachten Körper und Geist nochmal so richtig in Schwung. Dieser hielt sogar solange an, bis das trainingsabschließende Gruppenfoto im geschossen war.

Körperlich am Ende ihrer Kräfte, ging es kurz nach Trainingsende zur Lehrgangsfete nach Barbing. Bei gutem Buffet und einen kräftigen Tropfen, gerieten alle Wehwehchen und Blessuren in den Hintergrund. Beim gemütlichen Beisammensein fühlte sich auch der Muskelkater sauwohl, der sich jedoch erst am nächsten Morgen zu erkennen gab.

Der Sonntagmorgen begann für Daniel Schmidt mit einer Premiere. Auch er durfte das erste Mal bei einem internationalen Lehrgang – mit demselben Auftrag, den Raik Richter am Vortag erhielt – die Erwärmung durchführen. Er tat, wie ihm geheißen und vertrieb mit einer Standarderwärmung zielsicher sämtliche Müdigkeit aus den lahmen Knochen. Getreu dem Motto: Wer feiern kann, kann auch trainieren. Bereits nach kurzer Zeit sprühten die Karateka vor Eifer. Selbst der Muskelkater wurde fürs Erste verscheucht und Trainer Gerd konnte mit Kihon und Kihon Ido fortsetzen.

Weiter ging es mit der Kata Tensho. Der Cheftrainer Stanko achtete mit seinen japanisch geprägten Argusaugen gemeinsam mit den Co.-Trainern explizit auf die richtige Koordination der Atmung sowie sauber ausgeführte Techniken. Wenn es nötig war, wurden die Gurtträger korrigiert, um das Verfestigen falscher Bewegungsmuster vorzubeugen.

Im Anschluss daran teilte Stanko Kumer die Karateka – abhängig der Gürtelfarben – in sechs Gruppen auf. Jede davon zerlegte eine individuelle Kata, die ihren bereits erlernten Fähigkeiten entsprach, in einzelne Bestandteile, um ihr Können in den kataspezifischen Feinheiten zu festigen und auszubauen.

Die Schwarzgurte trainierten mit Trainer Vitor Gomes die Kururunfa. Die zweite Guppe, 1. Kyu, wurde in der Kata Sepai von Hagen Neumann fachkundig begleitet. Alexander Buze ging mit den zweiten und dritten Kyu´s die Shisochin durch. Unter Anleitung von Gerd Neuland verbesserten sich die Blaugurte in der Seiyunchin. Zeljko Topalovic demonstrierte den Grün- und Orangegurten die Saifa, während Raquel Seixas die Gelbgurte in der Gekisai-Dai-Ni unterrichtete. Währenddessen überwachte Stanko Kumer die Ausführungen aller Trainer und griff bei Unklarheiten ein oder wenn eine Ausführung nicht seiner Vorstellung der Kata entsprach.

Kaum dass sich die Teilnehmer versahen, war schon wieder Mittag. Bevor sich alle das Mittagessen schmecken lassen konnten, lockerte erst noch eine spezielle Übung die stark beanspruchten Muskeln auf. Wie jeder weiß, ist auch der Magen ein großer Muskel, der nicht vernachlässigt werden darf. Jedenfalls wurden alle Karateka, die jeweils in drei Reihen aufgeteilt hintereinander saßen, über deren Köpfe durchgereicht – egal ob groß, klein, dick oder dünn.

Nach einer zweistündigen Erholung löste Vitor Gomes sein Versprechen, welches er Stanko Kumer nach Erhalt seiner Einladung gab, gewissenhaft ein. Zum Leidwesen aller Gurtträger, entpuppte sich die komplette Nachmittagseinheit als besonders kräftezehrend. Die beiden letzten Trainingseinheiten beinhalteten – wie versprochen – extrem strapaziöse Sportkumite-Übungen, welche die allerletzten Kraftreserven, die sich lange hartnäckig hielten, herauskitzelte. Jetzt freuten sich diejenigen, die ein spärliches Mittagessen zu sich genommen hatten.

All das, was von Stanko in den letzten Jahrzehnten im Sportkumite gelehrt wurde, zeigte Vitor Gomes gekonnt, anhand einer anders verpackten Trainingsmethodik, den Teilnehmern. Ausnahmslos alle nahmen es dankend an.

Völlig ausgepowert, aber stolz auf ihre erbrachten Leistungen und Fortschritte, ging der letzte Trainingstag für alle Karateka zu Ende, jedoch mussten sich einige noch nicht komplett verabschieden. In diesem Jahr gab es für diejenigen ein Schmankerl, die es sich zeitlich einrichten konnten. Am Tag der Deutschen Einheit war ein Besuch auf der Wies´n angesagt.

Obwohl Stanko Kumer bereits morgens sechs Uhr dreißig die ersten Feierlustigen ein-sammelte, war an diesem Morgen nichts von Müdigkeit und körperlichen Beeinträchtigungen spürbar. Die Freude auf den gemeinsamen Tag unter Freunden, ließ jeden schmerzhaften Muskel vergessen.

„Eine Zugfahrt die ist lustig, eine Zugfahrt die ist fein…“, machten sich alle Anwesenden, darunter Vitor Gomes mit seiner Lebensgefährtin mit viel Spaß im Gepäck auf den Weg von Regensburg nach München. Im Zug blieb kein Auge vor Lachen trocken. Ein singender Service-Bahnmitarbeiter mit Entertainerqualitäten, der den GJKF-Präsidenten sofort mit Namen begrüßte, heiterte die Karate-Abteile noch mal so richtig auf. Ohne die einzelnen wirklich zu kennen, kannte er allerdings – die bis dato heimlichen – Pseudonamen einiger Karateka. So heißt Alexander Schwarz in seiner Freizeit beispielsweise Günther und Arthur Bobb nennt sich privat Stefan.

In München vervollständigte Iraj Teymournejad (7. Dan) und Rahmat Allah Baeelashaki (4. Dan) aus dem Iran die internationale Karatetruppe. Sie erhielten leider viel zu spät ihr Visa. Deswegen konnten sie nicht am internationalen Lehrgang teilnehmen, wie ursprünglich geplant. Trotz dieses unangenehmen Vorfalls, kamen sie nach Deutschland, um auf jeden Fall mit Stanko zu trainieren. Bei ihnen war es umgekehrt: Erst gemütlich feiern auf der Wies´n, und im Anschluss ein professionelles Training mit Stanko Kumer.

Somit war auf dem Oktoberfest die Karategruppe komplett vereint. Gut gelaunt erkundeten alle das große Münchner Volksfeld auf der Theresienwiese. Von elf bis sechszehn Uhr wurde im Zelt Ochsenbraterei „Oans, zwoa, drei, g‘suffa!“ und ausgelassen gefeiert.

Die Rückfahrt nach Regensburg gestaltete sich kurzweilig und amüsant, wenn auch ohne singenden Service-Bahnmitarbeiter. Ein Joke jagte den nächsten, witzige Erinnerungen wurden zum Besten gegeben und so mancher Karateka musste für ein Späßchen her-halten. In Landshut hieß es Abschiednehmen von den portugiesischen Gästen. Mit viel Lob und Anerkennung verließen Vitor Gomes und seine Lebensgefährtin den Zug, um noch einen Tag München auf eigene Faust zu erkunden.

Auf dem Regensburger Hauptbahnhof trennten sich, nach einer dankausdrückenden Umarmung, endgültig die Wege. Außer Stanko Kumer, denn er verbrachte mit den Iraner noch zwei Tage mit Training und ließ diese anschließend in bayrischer Gastfreundlichkeit ausklingen. Erst am Donnerstag flogen die iranischen Gäste, mit vielen schönen Erinnerungen an die vergangenen JKF Goju-Kai/Takuji Kenbukan Tage wieder Heim. Iraj Teymournejad, Chef des JKF Goju-Kai/Takuji-Kenbukan im Iran, lud Stanko 2017 ein, um im Iran zum dritten Mal einen Lehrgang abzuhalten. 

In allen Bereichen war der internationale Lehrgang in diesem Jahr ein voller Erfolg. An dieser Stelle geht ein fantastisches Dankeswort an den GJKF-Präsidenten und Cheftrainer Stanko Kumer für die gelungene Organisation und reibungslosen Ablauf des internationalen Karatelehrgangs 2016, samt heiteren Besuch auf dem Oktoberfest. Schon heute freuen sich alle Trainer und Lehrgangsteilnehmer auf den Lehrgang 2017, der garantiert wieder alle Karateherzen höher schlagen lässt.

Alle Lehrgangsteilnehmer stellten zudem fest, dass nicht unbedingt Japanische Trainer da sein müssen. Stanko Kumer genoss eine hervorragende Ausbildung durch seinen Lehrer Tetsuo Tabata sowie durch seinen Großmeister Schozo Ujita. Mit diesem Vermächtniss, zusammen mit seiner hartnäckiger eigenen Weiterbildung, baute er bis heute das JKF Goju-Kai/Takuji Kenbukan auf und verbreitet es noch heute immer weiter.

Doch nicht nur das: Stanko bildete in der Vergangenheit und aktuell eigene Schüler hoch qualifizierten Trainern aus, die sich gewiss mit anderen Karateausbildern messen können. Und ein unumstößlicher Fakt ist: Er steht hinter allen seinen Trainern, die mit ihm gemeinsam an einem Strang ziehen.

In Nepal, Indien und Iran gründete Stanko Kumer erfolgreich JKF Goju-Kai/Takuji-Kenbukan Außenstellen. Im November dieses Jahres fliegt er, zusammen mit Zeljko Topalovic, nach Nepal und Indien, um dort Lehrgänge abzuhalten. Sein Herzensanliegen ist, die ärmeren Länder mit einer guten Ausbildung zu unterstützen, ohne die Leute – im Gegensatz zu anderen angeblichen Großmeister – auszubeuten.